Frank Büttner / Herbert W. Rott (Hgg.): Kennst Du das Land. Italienbilder der Goethezeit, München / Köln: Pinakothek-DuMont 2005, 424 S., ISBN 978-3-8321-7519-1, EUR 39,90
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Herbert W. Rott / Renate Poggendorf / Elisabeth Stürmer: Carl Rottmann. Die Landschaften Griechenlands, Ostfildern: Hatje Cantz 2007
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Herbert W. Rott / Renate Poggendorf / Elisabeth Stürmer: Carl Rottmann. Die Landschaften Griechenlands, Ostfildern: Hatje Cantz 2007
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Das "Lied der Mignon" aus Goethes "Wilhelm Meister", dem der Titel der Ausstellung in der Neuen Pinakothek München und des Begleitbuches entnommen ist, wurde zur Verkörperung der deutschen Italiensehnsucht um 1800. Italien war seit der Renaissance Ziel der internationalen Künstlergemeinde, die Reise nach Rom Höhepunkt und Abschluss künstlerischer Ausbildung. Ohne Italienreise, die teilweise institutionell gefördert wurde, war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ein Erfolg als Architekt oder Bildhauer, vor allem aber als Historien- und Landschaftsmaler kaum vorstellbar. Insbesondere Letztere zog es um 1800 verstärkt nach Italien, Inbegriff der arkadischen Landschaft. Als Goldenes Zeitalter in den Bildern Poussins und Lorrains präfiguriert, waren italienischen Topografien und Städte Ausgangspunkte idyllischer und heroischer Landschaftsgestaltung sowie der Veduten- und Prospektmalerei. Der zeitgleich sich vollziehende Aufstieg dieses Fachs innerhalb der klassisch-akademischen Gattungshierarchie reflektiert die quantitative Zunahme von Darstellungen, die sukzessive einen höheren Grad an realistischer Schilderung anstrebten. Ein weiteres Phänomen ist die Verlagerung und Erweiterung des zuvor auf Rom und sein Umland konzentrierten Blickes der Maler auf Neapel und Südwestitalien.
Der vorliegende Katalog und die zugrunde liegende Ausstellung beleuchten diese und andere Fragestellungen am Beispiel deutscher Landschaftsmalerei. Alle um 1800 bedeutenden Namen sind vertreten, Werke der Neuen Pinakothek stehen im Mittelpunkt, sind jedoch durch großzügige Leihgaben ergänzt worden, sodass hier die Meisterwerke deutscher Landschaftskunst jener Jahre versammelt sind.
Es handelt sich um ein durchweg gelungenes Buch, das durch seine Qualität, was Text und Bebilderung betrifft, überzeugt und durch seinen Umfang beeindruckt. Das Projekt ist - wie auch die Ausstellung selbst - Ergebnis des Promotionsstudiengangs "Museums- und Ausstellungswesen" und wurde von den Herausgebern (Büttner für die Ludwig-Maximilians- Universität, Rott für die Neue Pinakothek) geleitet und gemeinsam mit den dreizehn Studierenden umgesetzt, die für die einleitenden Texte zum Katalog sowie die Katalogbeiträge verantwortlich zeichnen. Das Ergebnis ist ein Paradebeispiel für die Kooperation zwischen Universität und Museum und die erfolgreiche Einbindung junger Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, deren Texte sich nicht hinter denen der arrivierten "Profis" zu verstecken brauchen.
Das Buch ist in fünf Teile gegliedert: Einleitend vorangestellt sind drei Beiträge von Frank Büttner, Andreas Beyer und Joachim Ress. Daran schließt sich der Katalog an, wobei einem Kurzaufsatz, der die gezeigten Einzelbeispiele unter unterschiedlichen Gesichtspunkten beleuchtet, jeweils der Katalogteil folgt. Den Anfang machen Text und Katalog zur "Ideallandschaft" seit dem 17. Jahrhundert, die gewissermaßen das Ausgangsmodell für die künstlerische Rezeption Italiens vorgibt. Anschließend folgen die entsprechend strukturierten Abschnitte zu "Rom", "Neapel" und "Sizilien". Diese sind weiter untergliedert - so finden sich unter "Neapel" Beiträge zum Golf von Neapel, zum Vesuv und den phlegräischen Feldern, Capri und Sorrent. Die einzelnen Katalognummern umfassen jeweils eine Farbabbildung, technische Angaben sowie eine kurze Beschreibung und kunsthistorische Kontextualisierung des Gezeigten. Künstlerbiografien mit Verweis auf die präsentierten Objekte, eine Bibliografie und Landkarten Südwestitaliens runden den Band ab - ein Register wäre hier eine willkommene Ergänzung gewesen.
Dem Leser bietet sich ein beeindruckendes Panorama der Hauptanziehungspunkte Italiens in jenen Jahrzehnten. Wenn im weiteren nicht auf den Katalog und die diesen einleitenden Beiträge eingegangen wird, ist dies kein Qualitätsurteil - sie sind durchweg exzellent aufgebaut und hervorragend recherchiert, bieten im Vergleich mit den einführenden Aufsätzen durchaus thematisch neue Einzelaspekte. Die für den Leser durchaus willkommene und die Italienrezeption um 1800 strukturierende Binnengliederung steht jedoch einer umfassenden Besprechung aller Textbeiträge entgegen, sodass hier lediglich auf die drei einführenden Aufsätze näher eingegangen wird.
Den Anfang macht Frank Büttners Abhandlung "Italien und die Landschaftsmalerei", ein umfassender Überblick zum Thema, der um 1600 einsetzt, künstlerische Leitideen zwischen Naturnähe und Idyll, heroischer und idealer Landschaftsauffassung sowie kunsttheoretische Reflexionen landschaftlicher Darstellungen prägnant skizziert. Spannend sind vor allem Büttners Ausführungen zum "Wandel des Naturgefühls" in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, welche in ihrer Vernetzung von philosophisch-ästhetischem Gedankengut und poetischer Auseinandersetzung die ideologische Kontextualisierung der präsentierten Bildobjekte ermöglichen, sowie seine Darlegungen zu den Konzepten des Erhabenen und Malerischen. Die "Dialektik von naturwissenschaftlicher Erkenntnis und Entdeckung der landschaftlichen Schönheit" (12) wird deutlich, wenn Büttner die Werke Hackerts, Kochs u. a. vorstellt, die prägende Landschaftsauffassung Goethes und deren Traditionsbindung bespricht, kunsttheoretische Aussagen anführt oder die Kollision von Naturwahrheit und Ideal am Beispiel des Aufstiegs der Ölskizze erläutert. Insgesamt eine informative und polyfokale Zusammenfassung der wichtigsten, die deutsche Landschaftskunst um 1800 leitenden Aspekte.
Andreas Beyer konzentriert sich in "'Poussinsche Vorderteile' oder von den Versuchen, die italienische Landschaft in Worten zu malen" auf literarische und poetische Annäherungen an "das Land, wo die Zitronen blühn". Texte von Goethe, Heinse, Moritz, Seume oder Waiblinger und Hehn sind Vorbilder und Parallelen bildkünstlerischer Umsetzungen und, wie Beyer überzeugend nachweist, wesentlich von den in der idealen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts entwickelten Modellen und Topoi bestimmt.
Joachim Rees' Beitrag "Lust und Last des Reisens" ist ein Höhepunkt des Kataloges. Der Autor wählt einen scheinbar unkonventionellen, wie sich aber schnell herausstellt, ungemein fruchtbaren Zugang zum Thema: Ausgehend von kunst- und reisesoziologischen Fragestellungen untersucht er die "Multifunktionalität des Reisens", benennt die mit der Künstlerreise verbundenen Motivationen, Erwartungen und Funktionen, die er prägnant von anderen Formen der "Zyklusreise" absetzt (55). Rees thematisiert z. B. die Finanzierung solcher Touren in Nachfolge des höfischen Patronagesystems und des Akademiewesens, so durch individuelle Verpflichtungen eines Künstlers als "Cicerone" adliger Reisegruppen (paradigmatisch: Hackert), und die Schwierigkeiten (Besitz der entstandenen Werke?), die mit solchen Beziehungen verknüpft waren. Mobilität und "raumzeitliche Durchmessung einer Region" (63) führen Rees zu einer brillanten Auseinandersetzung mit dem Konzept der "Erwanderung" einer Landschaft, spannend vor allem auf Grund seiner erhellenden Feststellungen zu den sozio-politischen Implikationen der "Fußreise" oder den häufig zu einer "rollenkonformen Immobilität" (73) verurteilten Künstlerinnen. Ebenso faszinierend ist seine Deduktion einer direkten Beeinflussung der Bildproduktion auf Grund der Durch- und Erwanderung einer Landschaft.
Der gewichtige Katalog lässt kaum Wünsche offen. Er bietet einen für interessierte Laien wie vor allem für Fachleute gleichermaßen informativen und sehr gut aufgearbeiteten Überblick über die deutsche Landschaftsmalerei der "Goethezeit". Ein eigener Beitrag über Parallelen und Unterschiede der Rezeption Italiens, beispielsweise in Werken englischer oder französischer Maler, wäre eine willkommene Ergänzung gewesen. Dass sich einiges in den verschiedenen Beiträgen und im Katalogteil wiederholt, liegt im Aufbau des Bandes und nicht zuletzt in der Natur der Sache. Insgesamt ein Buch, das man immer wieder zur Hand nehmen und dem man bei jeder neuerlichen Lektüre interessante Aspekte abgewinnen wird.
Ekaterini Kepetzis