Peter H. Wilson: Europe's Tragedy. A History of the Thirty Years War, London: Allan Lane 2009, XXII + 997 S., ISBN 978-0-713-99592-3, GBP 35,00
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Tryntje Helfferich (ed.): The Thirty Years War. A Documentary History, Indianapolis/ Cambridge: Hackett Publishing Company, Inc. 2009
Werner Ebermeier: Landshut im Dreißigjährigen Krieg, 2., durchges. Aufl., Landshut: Isar-Post 2000
Sabine Eickhoff / Franz Schopper (Hgg.): 1636 - Ihre letzte Schlacht. Leben im Dreißigjährigen Krieg, Stuttgart: Theiss 2012
Peter H. Wilson: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie, Stuttgart: Theiss 2017
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Holger Mannigel: Wallenstein in Weimar, Wien und Berlin. Das Urteil über Albrecht von Wallenstein in der deutschen Historiographie von Friedrich von Schiller bis Leopold von Ranke, Husum: Matthiesen 2003
Tryntje Helfferich (ed.): The Thirty Years War. A Documentary History, Indianapolis/ Cambridge: Hackett Publishing Company, Inc. 2009
Alan Forrest / Peter H. Wilson (eds.): The Bee and the Eagle. Napoleonic France and the End of the Holy Roman Empire, 1806, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2009
Peter H. Wilson (ed.): 1848. The Year of Revolutions, Aldershot: Ashgate 2006
Peter H. Wilson: Lützen, Oxford: Oxford University Press 2018
Gleich zu Beginn konstatiert der Verfasser, dass es eine Fülle von Spezialstudien, aber einen Mangel an Gesamtdarstellungen zum Dreißigjährigen Krieg gebe. Eine solche legt Peter Wilson, der bereits durch zahlreiche wichtige Beiträge zur Geschichte des frühneuzeitlichen römisch-deutschen Reichs hervorgetreten ist, mit diesem umfassenden Werk vor. Um einen neuartigen Erklärungsansatz geht es Wilson dabei nicht, im Gegenteil, allen (allzu) griffigen Gesamtinterpretationen erteilt er in der Einleitung eine entschiedene Absage. Dies gilt für alle Versuche einer vorschnellen europäischen "Auflösung" des Krieges. Zwar seien fast sämtliche europäischen Mächte und Konflikte in den Krieg verwickelt gewesen - eine Tatsache, die Wilson auch durch die Wahl seines Titels unterstreicht -, gleichwohl sei der Dreißigjährige Krieg aber stets ein eigenständiger Krieg geblieben und auch als solcher gesehen worden, nie als Teil einer irgendwie gearteten europäischen Krise. Ebenso widerspricht Wilson allen Versuchen, den Krieg vorrangig religiös-konfessionell zu deuten, andere Frontstellungen seien wichtiger gewesen als die religiös-konfessionellen. Mithin sei der Krieg keine unvermeidbare Katastrophe gewesen, sondern Ergebnis konkreter Entscheidungen und Entwicklungen.
Diese Sichtweise bestimmt Wilsons Geschichte des Krieges, die durch stete Ausgewogenheit des Urteils, die Weite des Blicks und nicht zuletzt profunde Kenntnis der neuesten Literatur gekennzeichnet ist. Wilson geht es darum, den Facettenreichtum des Geschehens vor dem Leser auszubreiten und dabei zu einer gleichmäßigen Berücksichtigung der unterschiedlichen Aspekte des Krieges zu gelangen.
Dies zeigt sich schon im ersten Teil ("Beginnings") in der Darstellung der Ursachen des Krieges, die allein 268 Seiten einnimmt. Sorgfältig und kenntnisreich werden die Entwicklungen im Umfeld des Reiches und im Reich selbst vor 1618 vor dem Leser ausgebreitet. Schon in diesem Teil werden die großen Stärken des Werkes erkennbar. So behandelt der Verfasser zahlreiche Aspekte der Entwicklung, darunter auch solche, die in vielen Gesamtdarstellungen kaum Platz finden, etwa die Einflüsse der Konflikte in Südosteuropa auf die Fortentwicklung der Kriegstechnik und Kriegsorganisation. Hier wie an vielen anderen Stellen seines Werkes beeindruckt Peter Wilson durch seine detaillierte Kenntnis militärorganisatorischer und militärtechnischer Zusammenhänge.
Zu diesen Stärken gehören auch die in die Darstellung eingestreuten Kurzporträts der wichtigsten politischen und militärischen Akteure, die sichtlich um Nüchternheit und Unvoreingenommenheit bemüht sind. Eine solche Beurteilung erfährt zum Beispiel Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser Ferdinand II. Ihn habe (letztlich auch vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckende) Härte und Entschlossenheit bei der Verfolgung seiner Ziele gekennzeichnet - eine Härte, die aber stets in sehr bezeichnender Weise durch einen, wie Wilson es nennt, "deep legalism", eine tiefe Ehrfurcht vor der rechtlichen Tradition (oder vor dem, was Ferdinand nach tiefer Überzeugung dafür hielt) gemildert und eingehegt worden sei (70f.). Auch in konfessioneller Hinsicht zeichnet Wilson ein erheblich differenzierteres Bild von Ferdinand als häufig üblich, der "rather devout than a fanatic" gewesen sei und sich nicht nur mit Theologen vom Schlage Lamormainis, sondern geradezu demonstrativ auch mit bekannten theologischen "Pragmatikern" wie Martin Becan umgeben habe. Hier und an vielen anderen Stellen des Werkes wird die grundsätzliche Neigung des Verfassers erkennbar, mit durchaus überzeugenden Argumenten die Bedeutung der religiösen "Fundamentalisten" und Militanten für die Entstehung und den Verlauf des Krieges zu relativieren.
Außerordentlich profund und gestützt auf umfassende Kenntnis der breiten neueren Literatur sind auch seine Darlegungen von Reich und Reichsverfassung nach 1555; sie gehören zweifellos zu dem Besten, was zu diesem Thema im Moment einer interessierten englischsprachigen Leserschaft geboten wird.
Die facettenreiche Darstellungsweise, die vielen klug abwägenden Einzelschilderungen und der bewusste Verzicht auf ein Gesamtkonzept haben natürlich den Nachteil, dass ein Gesamtzusammenhang, ein roter Faden der Darstellung nicht ohne Weiteres erkennbar wird. Dies gilt um so mehr, als Peter Wilson zuweilen auch nicht davor zurückscheut, den Leser bei der Schilderung der Ursachen des Krieges auf historische Ausflüge mitzunehmen, die durchaus informativ sind, aber dann doch etwas vom eigentlichen Gegenstand des Werkes wegführen, etwa bei der recht eingehenden Schilderung der inneren Verfasstheit des Königreichs Polen-Litauen oder des Verlaufs der französischen Religionskriege.
Im zweiten Teil des Werkes ("Conflict") wendet sich der Verfasser dem eigentlichen Kriegsverlauf zu, der sorgfältig auf knapp 500 Seiten geschildert wird. Die Gliederung folgt dabei recht streng der Chronologie; entfaltet wird sie in 11 Kapiteln, die jeweils wieder in kurze Unterkapitel eingeteilt werden.
Das Hauptgewicht liegt hier eindeutig auf der Schilderung des militärischen Geschehens, das sorgfältig erfasst und wiedergegeben wird - angesichts der Komplexität des Kriegsgeschehens eine bemerkenswerte Leistung. Sie ist umso beachtlicher, als Wilson auch die Ereignisse der zweiten Kriegshälfte gebührend in die Betrachtung einbezieht und dabei die unterschiedlichen Kriegsschauplätze innerhalb wie außerhalb des Reiches (in den Pyrenäen, auf der iberischen Halbinsel, Nord- und Süditalien sowie in Flandern) berücksichtigt. Eine erstaunlich große Rolle spielen dabei einzelne Schlachten, deren Schilderung auch durch aufschlussreiches Kartenmaterial ergänzt wird.
Auch die Darstellung der politischen Ereignisse und der diversen Verhandlungen folgt recht streng der Chronologie, in jeweils kurzen Kapiteln. Auch hier geht es dem Verfasser in erster Linie um sorgfältige Dokumentation der entscheidenden Ereignisse und weniger um große Entwicklungslinien.
Vergleichsweise wenig Raum widmet der Verfasser dagegen den Verhandlungen in Münster und Osnabrück. In diesem Teil der Darstellung unterlaufen ihm zudem einige Fehler hinsichtlich der Chronologie der Ereignisse und des Gegenstands der Verhandlungen, die für die Gesamteinschätzung der Friedensverhandlungen nicht ganz unerheblich sind. Dies gilt auch für die Darstellung der verantwortlichen Akteure: So spielte der kaiserliche "Principalgesandte" Trauttmansdorff, anders als Wilson schreibt ("Concluding the peace", 746f.), in der letzten Runde der Friedensverhandlungen keine führende Rolle mehr, sondern war bereits im Juli 1647, voller Enttäuschung über die ablehnenden Reaktionen auf sein "Trauttmansdorffianum", endgültig aus Westfalen abgereist. Überhaupt berücksichtigt Wilson bei seiner Schilderung zu wenig, dass der Kongress in der zweiten Phase von anderen Akteurskonstellationen und Verhandlungsformen bestimmt war als in der ersten, etwa in Hinblick auf die Reichsstände.
Die Folgen von Krieg und Frieden werden im dritten Teil des Werkes ("The aftermath") wieder in jener Umsicht und Gründlichkeit geschildert, die für die Darstellung insgesamt charakteristisch ist. Auch hier macht sich erneut Wilsons profunde Kenntnis der neuesten Forschungsliteratur bemerkbar, zum Beispiel bei der abgewogenen Schilderung der demografischen Folgen oder der Stellung von Krieg und Frieden in der kollektiven Erinnerung.
Insgesamt hat Peter Wilson ein Werk von beeindruckender Gelehrsamkeit vorgelegt. Bewusst verzichtet er darauf, den bisherigen Gesamtdeutungen des Dreißigjährigen Krieges eine weitere hinzuzufügen. Stattdessen ist es gerade der Detail- und Facettenreichtum, die Gründlichkeit und die Ausgewogenheit der Darstellung und des Urteils, durch die dieses Werk zu überzeugen vermag. Zwar fehlt ein Literaturverzeichnis, was angesichts der Fülle der herangezogenen neuesten Literatur bedauerlich ist, dafür wird die Benutzbarkeit dieses Werkes durch ein sorgfältiges Register und die kleinteilige Kapitelgliederung erheblich erleichtert.
Christoph Kampmann