Stefanie Schüler-Springorum: "Krieg und Fliegen". Die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2010, 369 S., ISBN 978-3-506-76747-9, EUR 39,90
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Die Photographien des Kriegsberichterstatters Robert Capa wurden zu Ikonen des Spanischen Bürgerkrieges, der von 1936 bis 1939 zwischen den Nationalisten und den Republikanern sowie den diversen internationalen Interventionskräften tobte. Unter anderem zeigen sie spanische Zivilisten auf der Flucht vor den alsbald herabfallenden Bomben und vor den Trümmern ihrer Häuser. Ob in Madrid, Bilbao oder Barcelona, ein Motiv kehrt immer wieder: Kleinere Gruppen von Menschen, die fragend, vor allem aber ängstlich in den Himmel schauen. Es waren die über den Städten ausgetragenen Luftkämpfe, die sie faszinierten, vor allem aber die herannahenden und todbringenden Bomberstaffeln, die Angst und Schrecken erregten und den Blick nach oben lenkten.
Stefanie Schüler-Springorum, Leiterin des Hamburger Instituts für die Geschichte der deutschen Juden und künftige Nachfolgerin von Wolfgang Benz am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, hat nun die Perspektive der Kamera gewissermaßen umgekehrt. Sie fragt nach dem Fühlen, Denken und Handeln jener, die "immer oben" waren, und stellt es in den historischen Kontext. Damit leistet sie einen bedeutenden Beitrag dazu, eine seit langem klaffende Forschungslücke zu schließen. Mit ihrer Untersuchung liegt nun nämlich eine Geschichte der auf Seiten des Generalísimo Francisco Franco fechtenden "Legion Condor" vor und, mehr noch, es werden die Kriegserfahrungen der deutschen Flieger über Spanien analysiert; überdies fragt die Autorin nach der "männlichen Sozialisation in Militär und Krieg in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts" (22) .
Damit sind bereits die drei Forschungskontexte angerissen, in welche die Studie einzuordnen ist: Es handelt sich, erstens, um eine dem Erkenntnishorizont des Tübinger Sonderforschungsbereichs 437 Kriegserfahrungen verpflichtete "neue Militärgeschichte", die den "Konstruktionsversuchen von Kriegswirklichkeiten" (19) der Flieger ihre Aufmerksamkeit schenkt. Zweitens beleuchtet das Buch das deutsche Engagement im spanischen Bürgerkrieg und bringt Licht ins Dunkel der Luftkriegshistoriographie, indem es über Einsatz und Ziele der "Legion Condor" informiert. Und, drittens, lässt sich Schüler-Springorums Untersuchung als eine im Sinne von George L. Mosse verfasste "Männer-Geschichte" des Krieges verstehen, die sich dem Wandel von Männlichkeiten widmet, indem sie die Wahrnehmung der erbrachten Todesarbeit und die kursierenden Vorstellungen und Ängste untersucht.
"Krieg und Fliegen" stützt sich auf eine breit gefächerte Quellenbasis, die von den nur bruchstückhaft erhaltenen offiziellen Akten der aus "Freiwilligen" bestehenden Legion über die republikanische und franquistische Überlieferung bis zu den "autobiographischen" Berichten der Teilnehmer reicht. In Kapitel II ("Der Traum vom Fliegen") legt die Autorin die mentalitätsspezifische Vorgeschichte des Spanieneinsatzes dar. Es geht, mit anderen Worten, um die aus dem Ersten Weltkrieg herrührenden Deutungsmuster und Topoi, insbesondere jener des Fliegerhelden. In Kapitel III ("Krieg in Spanien") werden die deutsch-spanischen Beziehungen, die in Deutschland vorherrschenden Spanien-Klischees und -Bilder wiedergegeben und der Verlauf der nationalsozialistischen Intervention geschildert. Kapitel IV ("Deutsche Flieger in Spanien") ist von allen das umfangreichste und widmet sich den Kriegserfahrungen der Legionäre. Behandelt werden zahlreiche Einzelaspekte: Der Topos der Freiwilligkeit, die Erwartungen von Abenteuer und männlicher Bewährung, die Erlebnisse vor Ort, die Wahrnehmung der (teils schwierigen) Zusammenarbeit mit den Verbündeten, die Einschätzung der "Roten" und der Zivilbevölkerung. Schließlich wird die eigentliche "Arbeit" des Krieges beleuchtet, das Töten im Luftkampf oder durch Bomben, sowie die Angst, selbst zu sterben, die Wahrnehmungen der Kriegsgräuel, der Gefangenschaft und die "Würdigung" der Taten der Legion. Das abschließende Kapitel V ("Nach dem Krieg") ist dem Wirken der Legionsangehörigen im Anschluss an ihre - wie es im zeitgenössischen Jargon hieß - "unersetzliche, notwendige Lehrzeit" (217) auf der iberischen Halbinsel gewidmet. Die Aufmerksamkeit gilt aber insbesondere den "postfaschistischen Lebensläufen" und der Erinnerungsproduktion.
Das Buch bietet zahlreiche Einblicke in die Praxis vor Ort und in die entsprechenden Deutungen. Indes machen es die Endnoten dem Leser schwer: Ob diese Deutungen privaten Aufzeichnungen, "authentischen" Erlebnisberichten, ergo der Propaganda, oder Memoiren entstammen, die erst nach 1945 publiziert wurden, lässt sich nur mühsam überprüfen. Aus einer dezidiert "konstruktivistischen" Perspektive fällt zudem auf, dass es der Autorin nicht immer gelingt, jener Gefahr zu entkommen, welche der "neuen Militärgeschichte" im Allgemeinen droht; auch wenn Schüler-Springorum in Anschluss an Alf Lüdtke betont, die Quellen seien auf "jene Splitter von Alltagswirklichkeit [zu] durchsieben" (22), die in ihnen präsent sind, stellt sie dennoch die "Erlebnisse" der militärischen Akteure in den Vordergrund. Hierbei gerät der Erfahrungsraum, aus dem letztere schöpften, und damit die "Geschichte des Sagbaren" - über welche die Quellen ja in erster Linie Auskunft geben - insgesamt in den Hintergrund. [1] Wer indes das unter anderem auf Peter L. Bergers und Thomas Luckmanns "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit" zurückgehende Konzept "Kriegserfahrung" theoretisch ernst nimmt, sollte dem Leser stets vor Augen führen, dass sein Gegenstand nicht die historiographisch uneinholbaren "Erlebnisse" der Soldaten sind, sondern die, so Paul Fussell, "curious literariness of real life". [2]
Gerne hätte man zudem etwas mehr über die Rolle der Ideologie in diesem ersten gemeinsamen Kampf faschistischer Regime gegen den "Bolschewismus" erfahren. Nebst den pekuniären und karrierespezifischen Vorteilen, die er gewährte, ergab sich der Sinn des Einsatzes und damit des Tötens und Getötet-Werdens für die "Generation 'Legion Condor'" daraus, dass er es ihnen gestattete, die "männliche Matrix des Kriege[r]s" zu erfüllen [3], den Topos des "Helden der Lüfte" zu aktualisieren und Erfahrungen auf dem technisch herausfordernden Feld der militärischen Fliegerei zu sammeln. Doch genügte es dem kampferprobten, oder wie man auch sagte: dem "starken Kern" (219) der bald ganz Europa heimsuchenden Luftwaffe tatsächlich, "Flieger [zu] werden"? (56 ff.) Sicherlich musste man, wie die Autorin konstatiert, "angesichts der militärischen Befehlsstruktur [...] kein Faschist sein, um Gernika zu zerstören" (258). Beim Ringen um eine Legitimation des eigenen Handelns dürfte es indes sehr hilfreich gewesen sein. Trotz dieser Einwände gilt es festzuhalten, dass Schüler-Springorum eine gewichtige zeithistorische Studie verfasst hat, die, wie bereits der Titel nahelegt, mit einem Sinn für Pointen geschrieben ist. Es handelt sich um ein informationsreiches Standardwerk zur "Legion Condor", an dem sich die künftige Luftkriegshistoriographie wird orientieren müssen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Achim Landwehr: Die Geschichte des Sagbaren. Einführung in die historische Diskursanalyse, Tübingen 2001.
[2] Paul Fussell: The Great War and Modern Memory, New York/NY u.a. 2000 [repr.], IX.
[3] Zur "männlichen Matrix des Krieges" vgl. Lutz Klinkhammer: Der Partisanenkrieg der Wehrmacht 1941 - 1944, in: Rolf-Dieter Müller / Hans-Erich Volkmann (Hgg.): Die Wehrmacht. Mythos und Realität, München 1999, 815-836, hier 834.
Fernando Esposito