Rezension über:

Maribel Fierro (ed.): The Western Islamic World. Eleventh to Eighteenth Centuries (= The New Cambridge History of Islam; Vol. 2), Cambridge: Cambridge University Press 2010, XXXVII + 847 S., ISBN 978-0-521-83957-0, GBP 125,00
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Rezension von:
Hans-Thomas Tillschneider
Universität Bayreuth
Redaktionelle Betreuung:
Jens Scheiner
Empfohlene Zitierweise:
Hans-Thomas Tillschneider: Rezension von: Maribel Fierro (ed.): The Western Islamic World. Eleventh to Eighteenth Centuries, Cambridge: Cambridge University Press 2010, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 7/8 [15.07.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/07/22047.html


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Maribel Fierro (ed.): The Western Islamic World. Eleventh to Eighteenth Centuries

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Als mir die Rezension von Band II der New Cambridge History of Islam vorgeschlagen wurde, ein Band mit dem Titel "The Western Islamic World - Eleventh to Eighteenth Centuries", sagte ich freudig zu in der Erwartung, es würde damit ein thematisch umfassendes, aber immer noch einbändiges Referenzwerk zum islamischen Westen und dem Islam in Afrika vorgelegt, das, auf der Höhe der Zeit, den aktuellen Stand der Forschung wiedergibt, sich aber nicht in Abseitigem verliert, sondern zugleich auf das konzentriert, was allgemein anerkannt ist und es aller Voraussicht nach die nächsten Jahrzehnte bleiben wird, kurzum: ein langlebiges Standard- und Referenzwerk, das man ohne Sorge in der Lehre verwenden kann.

Diese Erwartung, die der erste Band vollständig erfüllt, wie die Teilrezension von Jens Scheiner zeigt, wurde nur insofern enttäuscht, als es in Bd. II nicht allein um Afrika geht, gemessen an der Seitenzahl sogar nicht einmal mehrheitlich. Sollte Maribel Fierro, die Herausgeberin des Bandes, die Auswahl und Gewichtung der Beiträge zu verantworten haben, so versteht sie unter islamischem Westen Gebiete wie Syrien, Jemen und Anatolien. Band II scheint ein wenig zum Sammelbecken für Themen geworden sein, die sich in keinem anderen Band unterbringen ließen. Das mag bei einer Aufteilung des historischen-geographischen Raumes der islamischen Kultur in nur vier Bände wohl unvermeidbar sein. Die New Cambridge History of Islam umfasst zwar sechs Bände, doch nur vier sind historisch-geographischen Räumen gewidmet; die beiden Bände IV und VI haben thematische Schwerpunkte.

Dieses Prinzip der Gesamtreihe setzt sich in der Konzeption von Band II fort. Seine 25 Artikel sind in fünf Blöcke gruppiert. Während der fünfte und letzte Block unter dem Titel "Rulers, Soldiers, Peasants, Scholars and Traders" ausgewählte Themenkomplexe diachron und synoptisch behandelt, umfassen die Blöcke I bis IV historisch-geographische Räume: Andalusien, Nord- und Westafrika vom 11. bis zum 15. Jahrhundert n. Chr.; Ägypten und Syrien vom 11. Jahrhundert n. Chr. bis zur osmanischen Eroberung; das islamische Anatolien und das Osmanische Reich; Nord- und Westafrika vom 16. bis zum 18. Jahrhundert n. Chr.

Der erste Block (19-158) umfasst das, was als islamischer Westen (= maġrib) im strengen Sinn gelten kann: Nordafrika ohne Ägypten, Westafrika und Andalusien. Die versammelten Aufsätze geben eine konzise Darstellung der Ereignisgeschichte von den Almoraviden bis zu den Dynastien, die aus dem Verfall des Almohadenreichs hervorgegangen sind.

María Jesús Viguera-Molins erspart uns in seinem Beitrag "al-Andalus and the Maghreb (from the fifth/eleventh century to the fall of the Almoravids)" (21-47) weitere Spekulationen über die unlösbare Frage, woher der Begriff "al-murābīṭūn" kommt, konzentriert sich auf das, was wir wissen, und beschreibt auf dieser Grundlage Aufstieg und Niedergang der Almoraviden sowie den zunehmenden Verfall und die Fragmentierung der Umayyadenherrschaft in Andalusien. Michael Bretts anschließender Beitrag liefert dazu eine Ergänzung, indem er die Geschichte derjenigen Teile des Maghreb behandelt, die während dieser Zeit weder von den Almoraviden noch den Umayyaden beherrscht wurden, also die "Central lands of North Africa and Sicily, until the beginning of the Almohad period" (48-65). Brett kontrastiert die allseitige Erfolgsgeschichte Siziliens unter den Kalbiten und dann unter den Normannen mit dem politisch-ökonomischen Niedergang Ifrīqiyas unter den Ziriden.

Maribel Fierro behandelt im Anschluss daran "The Almohads and the Ḥafṣids" (66-105) und berücksichtigt dabei auch die neueren Forschungen zur almohadischen Theologie von Frank Griffel. Ihre Ausführungen zu den Ḥafṣiden dagegen zeigen, dass sich hier seit Brunschvigs La Berbérie orientale sus les Ḥafṣides (1940-47) im Grunde wenig getan hat. Nachdem Fierro mit den Ḥafṣiden schon eine postalmohadische Dynastie einbezogen hat, verbleibt es Fernando Rodriguez Mediano noch die Marīniden, ʿAbdalwādiden und Naṣriden als "Post-Almohad dynasties in al-Andalus and the Maghrib (seventh-ninth/thirteenth-fifteenth centuries)" zu beschreiben (106-143). Der Schwerpunkt liegt naturgemäß auf den Marīniden.

Ulrich Rebstock schließlich wirft mit seinem Beitrag einen abschließenden Blick auf die subsaharischen Regionen: "West Africa and its early empires" (144-57). Rebstock zeichnet nach, wie der Islam, von Nordafrika ausgehend, schon früh entlang der Routen des Transsaharahandels nach Süden diffundiert und sich ab dem 9. Jahrhundert n. Chr. islamische Gemeinden bilden (Tadmakkat, Awadghust u.a.). Unterstützt durch die Missions- und Erneuerungsbewegung der Almoraviden und immer wieder angestoßen durch die Handelsströme breitet sich der Islam bis ins 15. Jahrhundert n. Chr. schließlich im gesamten Sudangürtel aus, eine Entwicklung, die Rebstock in glücklich gewählten Schlaglichtern plastisch werden lässt.

Damit ist der erste Block abgeschlossen. Der zweite Block "Egypt and Syria" (160-298) springt ein gutes Stück nach Osten und beginnt mit "Bilād al-Shām, from the Fāṭimid conquest to the fall of the Ayyūbids" (161-200). Ann Marie Eddé unterteilt diesen Zeitraum in vier Episoden: Fāṭimiden, Seldschuken, Kreuzritter und Saladin. Ohne sich in den Quisquilien der Ereignisgeschichte zu verlieren, zeichnet Eddé einen klaren ereignisgeschichtlichen Rahmen - eine Aufgabe, die nicht alle folgenden Beiträge meistern. Besondere Aufmerksamkeit schenkt sie der konfessionellen Gemengelage. Wie gestaltete sich durch die politischen Umbrüche hinaus das Verhältnis von Zwölferschiʿiten, Sunniten, Ismāʿiliten, Druzen und orientalischen Christen auf syrischem Terrain? Welche Impulse gehen von der sektiererischen Provokation der Fāṭimiden aus? Welche von der Aggression der christlichen Kreuzfahrer? Welche von der Restauration des Sunnitentums unter den Ayyūbiden und Saladin? Indem Eddé sich solchen Fragen widmet und daneben unter anderem auch auf den Handel, die ethnischen Konflikte, die Ausbreitung der Rechtsschulen und die sufischen Orden eingeht, baut sie ihren Beitrag zu einem anschaulichen Epochenportrait aus.

Ein solches Portrait ist auch der Beitrag von Yaacov Lev "The Fāṭimid caliphate (969-1171 n. Chr.) and the Ayyūbids in Egypt (1171-1250 n. Chr.)" (201-36). Lev beschreibt zunächst, wie das Fāṭimidenkalifat in eine Militärregierung übergeht, aus der sich Saladins Herrschaft und schließlich die Ayyūbidendynastie entwickelt. Nach diesem kurzen Überblick behandelt Lev die ayyūbidisch-fāṭimidische Zeit als Einheit unter den drei Gesichtspunkten der Auseinandersetzung mit den Kreuzrittern, der ökonomischen Verhältnisse und der frommen Stiftungen. Während sich die Handels- und Wirtschaftspolitik der Ayyūbiden und Fāṭimiden gleichen - die Ayyūbiden übernehmen das Handelsnetz der Fāṭimiden -, zeigt das Militär, wie sehr sich beide Dynastien unterscheiden. Die Herausforderung durch die Kreuzfahrer offenbart die militärischen Schlagkraft der Ayyūbiden und die relative Schwäche der Fāṭimiden. Was die Stiftungen angeht, so fügt sich die ayyūbidisch-fāṭimidische Zeit in eine übergreifende Entwicklung des stetigen Ausbaus und der Diversifizierung. Saladin nutzt die Institution Stiftung erstmals systematisch, um religiöse Gelehrsamkeit entsprechend seinen Vorstellungen zu gestalten, was die Mamlūken weiterführen.

Mit den Mamlūken beschäftigt sich Amalia Levanoni ("The Mamluks in Egypt and Syria: The Turkish Mamluk sultanate (1250-1382 n. Chr.) and the Circassian Mamluk sultanate (1382-1517 n. Chr.)" (237-84). Wie auch schon die Aufsätze von Eddé und Lev ist ihr Beitrag eine umfassende Epochendarstellung, die neben den militärisch-politischen Ereignissen ökonomische, soziale und religiöse Entwicklungen vom iqṭāʿ-System bis zur Institution der madrasa miteinbezieht.

Diese Art breit angelegter Beiträge schmälert im Rahmen der Gesamtkonzeption des Bandes allerdings den Nutzen des fünften Blocks, der unter anderem erneut die madrasa oder das iqṭāʿ-System abhandelt. Es wäre sicher kein Fehler gewesen, entweder alle Autoren auf umfassenden Epochenportraits zu verpflichten und dann den fünften Block zu streichen oder umgekehrt den fünften Block zu belassen, dafür aber von den Autoren in den ersten vier Blöcken kompaktere Darstellungen zu verlangen, so kompakt wie Esther Peskes' Artikel zu "Western Arabia and Yemen (eleventh century to the Ottoman conquest)" (285-300). Peskes lässt die Geschichte der Šarīfenherrschaft von Mekka und Medina repräsentativ für die Geschichte Westarabiens Revue passieren. Die lokalen Herrscher über die heiligen Stätten sind zwar dem Zugriff der islamischen Großmächte ihrer Zeit ausgeliefert, können sich, gestützt auf ihr religiöses Prestige, jedoch halten und eine gewisse Autonomie wahren. Auch unter sunnitischer Herrschaft geben sie ihre schiʿitischen Überzeugungen nur langsam auf. Ähnlich, wenn auch bedeutend komplizierter sind die Verhältnisse im Jemen, wo innere Konflikte - oft zugleich innerzaiditische Konflikte - sich mit Interventionen von außen brechen und der persistierende Konflikt zwischen Sunna und Schiʿa die Zweiteilung des Landes in den Norden und Süden vertieft. Damit schließt der zweite Block.

Der dritte Block, "Muslim Anatolia and the Ottoman Empire" (301-449), den unter islamischem Westen zu subsumieren mir am problematischsten erscheint, behandelt exklusiv den türkischen Islam. Die ersten vier Beiträge des Blocks erzählen zusammenhängend die Geschichte des Osmanischen Reiches vom 11. bis zum 18. Jahrhundert n. Chr. in seinem Kerngebiet.

Gary Leiser ("The Turks in Anatolia before the Ottomans", 301-312) macht mit der Vorgeschichte des Osmanischen Reiches den Auftakt. Er gibt einen Überblick über Aufstieg und Niedergang der Rūm-Seldschuken, ihre Einwanderung aus Ḫurāsān nach Anatolien, die Blütezeit unter Kayqubād und schließlich die Abhängigkeit von den Ilḫāniden und der Verfall in mehrere Kleinreiche. Eines der Kleinreiche im Nordwesten Anatoliens ist das Reich des Osmanen.

Diesen Faden nimmt Kate Fleet ("The rise of the Ottomans", 313-331) auf. Fleet macht den Aufstieg des Osmanen fest an: ihrer Expansion nach Westen bis in den Balkan hinein, ihrem wachsenden Einfluss auf die Geschicke des byzantinischen Reiches und ihrem raschen Wiederaufstieg nach der Niederlage gegenüber Timur, der in der Eroberung von Konstantinopel 1453 gipfelt.

Colin Imber konzentriert sich im dritten Beitrag dieses Blocks ("The Ottoman empire (sixteenth century)", 332-65) ganz auf die Figur Süleymans I (1520-66 n. Chr.), versäumt es aber nicht, in zwei einleitenden Abschnitten die Lücke zwischen der Eroberung von Konstantinopel und dem Machtantritt von Süleyman I zu schließen. Die Zeit Süleymans I gilt gemeinhin als Blütezeit des Osmanischen Reichs und ist von einer starken Expansionsbewegung nach Westen ins Gebiet der Habsburger Monarchie, nach Osten ins Gebiet der Ṣafawiden und nach Nordafrika hinein gekennzeichnet. Letzteres kommt etwas zu kurz, was aber vermutlich in Abstimmung mit dem Beitrag "Ottoman Maghrib" (503-45) von Houari Touati in im vierten Block geschieht. Ein Nachspann zur Zeit nach Süleymans Tod bis 1606 schließt den ereignisgeschichtlichen Überblick ab. Danach gibt Imber noch eine Darstellung des osmanischen Staates (347-363). Imber erklärt u.a. das tīmār-System, die osmanische Rechtspraxis und die Funktionsweise der Monarchie und vervollständigt so das Bild einer Zeit, die nicht nur in der historischen Legende als Blütezeit gilt.

Suraiya Faroqhi schließlich behandelt das 17. und 18. Jahrhundert n. Chr. als "The age of 'political households'" (366-410). Der Haushalt des Sultans wird zu jener Zeit von seinen Gouverneuren, den Wesiren und auch von Religionsgelehrten nachgeahmt, weshalb er einen Schlüssel zum Verständnis jenes "slice of two hundred years" (367) bildet. Faroqhis Beitrag sticht insofern hervor, als er keine lineare Erzählung der Ereignisgeschichte gibt, sondern breit gestreute Themenfelder beleuchtet. Es geht unter anderem um das iltizām-System, die Militärtechnik, die Rolle der Gerichte, die Rolle der Frau und die politischen Debatten, die ab dem späten 16. Jahrhundert n. Chr. aufleben und in der politisch-administrativen Ratgeberliteratur Niederschlag finden.

Damit ist die Geschichte der Osmanen bis ins 18. Jahrhundert n. Chr. abgehandelt. Die beiden abschließenden Beiträge widmen sich ähnlich wie auch schon die letzten Beiträge des ersten und zweiten Blocks Gebieten, die von der jeweiligen Kernregion aus gesehen Peripherie sind.

Bruce Masters ("Egypt and Syria under the Ottomans", 411-435) beleuchtet, wie unterschiedlich Kairo, die noch stark mamlūkisch geprägte Hauptstadt der reichsten Provinz des Osmanischen Reiches, Damaskus, die Station der Pilgerkarawane nach Mekka, und Aleppo, die Handelsstadt, sich während der Blütezeit des Osmanischen Reiches im 16. Jahrhundert und während der Phase des Niedergangs im 17. und 18. Jahrhundert n. Chr. entwickeln. Das Zusammenwirken von Zentralgewalt, lokaler Macht und mamlūkischem Erbe bringt mit der Notablenherrschaft in Damaskus, dem Konflikt zwischen Janitscharen und Šarīfen in Aleppo und den neomamlūkischen Fraktionen in Kairo je eigene Formen hervor, deren Entstehung Masters nachzeichnet.

Auch die Geschichte von "Western Arabia and Yemen during the Ottoman period" (436-449) ist nach Bernard Haykel noch durch Hinterlassenschaften der Mamlūken belastet, so etwa durch die Auseinandersetzung mit den Portugiesen um die Wege des Gewürzhandels, die in osmanischer Zeit weiter vor sich hin schwelt. Im Yemen können die Osmanen nicht dauerhaft Fuß fassen, im Ḥiǧāz dagegen etablieren sie sich als Ordnungsmacht. Mit den lokalen Šarīfendynastien stellt sich ein Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit ein, das abgesehen von inneršarīfischen Machtkämpfen für relativ stabile Verhältnisse sorgt und so lange hält, bis die Wahhābiten den Ḥiǧāz erobern. Soweit der dritte Block.

Der vierte und letzte Block der Ereignisgeschichte kehrt wieder in den islamischen Westen zurück und setzt den ersten Block chronologisch fort: "North and West Africa (sixteenth to eighteenth centuries)" (453-545). Am Beginn steht ein Beitrag von Stephen Cory zur "Sharīfan rule in Morocco" (453-479). Cory konzentriert sich auf die zwei bedeutendsten Herrscher, Mawlāy Aḥmad al-Manṣūr (1578-1603 n. Chr.) und Mawlāy Ismāʿīl (1672-1727 n. Chr.). Die von Regionalisierung und Bürgerkrieg geprägten Zwischenphasen werden summarisch abgehandelt, was berechtigt ist, da die wesentlichen Entwicklungen jener Zeit während der Herrschaft von Mawlāy Aḥmad al-Manṣūr und Mawlāy Ismāʿīl beginnen oder kulminieren und beide Herrscher so exemplarisch für jene drei Jahrhunderte stehen können. Cory hinterfragt die üblichen Schemata in den Forschungen zur Geschichte Marokkos wie etwa die Bewertung der Maraboute als ein die Zentralgewalt unterminierender Faktor oder die Deutung der Zeit zwischen 1500 und 1800 als Phase allseitiger Stagnation, ohne ihnen allerdings jeglichen Erklärungswert abzusprechen.

In ähnlich exemplarischer Weise arbeitet Ulrich Rebstock ("West Africa", 480-502) heraus, wie sich der subsaharische Islam am Ende des 15. Jahrhunderts n. Chr. von einer Art Exklave zu einem vollgültigen Teil der islamischen Welt wandelt. Dazu trägt u. a. die Blütezeit von Timbuktu bei, als die Stadt sich in den hundert Jahren zwischen Sunni ʿAlīs Herrschaft (1464-92 n. Chr.) und der Eroberung durch die Saʿdier (1591 n. Chr.) zu einem Zentrum islamischer Gelehrsamkeit mit Strahlkraft weit über die Region hinaus entwickelt. Bei der Expansion des Islams von Timbuktu aus nach Süden und Osten geht das hohe kulturelle Niveau allerdings oft wieder verloren. Sie verläuft im Verbund mit einer Gelehrsamkeit, die auf schmaler Grundlage steht und synkretistische Blüten treibt. In der Folge kommen Reinigungsbewegungen auf wie die des ʿUṯmān dan Fodio im Hausaland, die in kriegerischer Gewalt münden und der Islamisierung der Region neue Impulse geben.

Houari Touati schließlich behandelt in einem umfangreichen Beitrag zum "Ottoman Maghrib" (503-45) die Geschichte der Regentschaften von Algier, Tunis und Tripoli nicht je für sich, sondern als die Einheit, die sie ihren historischen Rahmenbedingungen nach auch sind. Touati zeichnet mit deutlichem Schwerpunkt auf Algier und Tunis nach, wie als Resultat des Verfalls der lokalen Dynastien, des spanischen Kolonialismus und der korsarischen Piraterie die ersten osmanischen Dependenzen entstehen. Er beschreibt mit dem System der Militärregierung und dem staatlich protegierten Piratenwesen wesentliche Erscheinungen jener Zeit und führt seine mit reichen wirtschaftshistorischen Angaben unterlegte Darstellung bis zum Beginn des französischen Kolonialismus um 1830.

Damit ist der Gang durch den historisch-geographischen Raum beendet. Der fünfte Block behandelt wie schon gesagt einzelne Themen, wobei sich der Zielkonflikt abzeichnet, ein bestimmtes Thema entweder angemessen zu behandeln, oder es strikt für die Gebiete und Epochen von Band II zu behandeln.

Michael Brett ("State formation and organization", 549-585) reflektiert über Staatstypen in den vorgegebenen Räumen: Anatolien, Syrien und Ägypten, Nordafrika und subsaharisches Westafrika. Die Abhandlung gerät unbenommen ihrer Reichhaltigkeit zu einem unsystematischen Parcours, der das Thema Staatenbildung im engeren Sinn übersteigt und eine soziologisch-politische Gesamtdarstellung des islamischen Westens nach Definition von Band II der New Cambridge History of Islam anstrebt. Insofern ist es nur konsequent, wenn Brett seine Beobachtungen und Schlüsse immer wieder mit Ibn Ḫaldūns Geschichtsmodell diskutiert, das um den gleichen Preis problematischer Generalisierung und Typisierung einen ähnlich breiten Raum abzudecken bemüht ist.

Die Schwäche des konzeptionellen Rahmens wird auch durch den Beitrag von Manuela Marin "The ʿulamāʾ" (679-704) deutlich. Ihre instruktiven Ausführungen treffen einerseits nicht auf alle Epochen und Regionen von Band II zu, lassen sich andererseits aber auch auf andere Teile der islamischen Welt übertragen. Es gibt eben kaum Charakteristika, die speziell auf die Gelehrten des geographisch-historischen Raumes des zweiten Bandes der Cambridge History of Islam zutreffen würden. Marins besonderes Interesse gilt dem Verhältnis von Gelehrten und Machthabern, der Frage nach sozialer Mobilität und den Umbrüchen, die für die Gelehrten mit der Einführung der madrasa verbunden sind. Sehr lehrreich ist die Kontrastierung der dezentralen, schwach hierarchisierten und zur Politik Distanz wahrenden sunnitischen Gelehrtenschicht mit den streng hierarchisch organisierten, fāṭimidischen und almohadischen Gelehrtenkadern im Dienste des Staates.

Dass Beiträge, die ihrem Gegenstand gerecht werden wollen, nicht alle Regionen und Epochen von Band II abdecken können, zeigt auch der Beitrag von Albrecht Fuess "Taxation and armies" (607-31). Anders als es der allgemeine Titel vielleicht vermuten lässt, beschreibt Fuess unter deutlicher Schwerpunktsetzung auf Mamlūken und Osmanen Formen staatskassenunabhängiger Militärfinanzierung. Die Möglichkeiten dieses sog. iqṭāʿ-Systems - bei den Osmanen tīmār-Systems - reichen von einer zentralen Administration, die in ihren Büchern den kasernierten Soldaten die Ländereien gegenüberstellt, aus denen ihr Sold bezahlt wird, über verschiedene Formen der Steuerpacht bis hin zu einem regelrechten Lehen, auf dem der Soldat lebt. Der ethnischen und kulturellen Fremdheit der türkischstämmigen Armeesklaven korrespondiert die fiskalische Autonomie einer selbstversorgenden Einheit. Fuess verfolgt die Geschichte dieser Systeme im Spannungsfeld zwischen juristisch-administrativer Theorie und tatsächlicher Praxis, zwischen Zentralisierung und Unabhängigkeit der Lehensgüter. Wie er freimütig eingesteht, spielt dieses System im Maghreb allerdings kaum eine Rolle.

Dass der Maghreb einen ganz eigenen Raum darstellt, geht auch aus John L. Meloys Beitrag zu "Overland trade in the western Islamic world (fifth-ninth/eleventh-fifteenth centuries)" (648-664) hervor. Es wird deutlich, dass Ägypten ökonomisch um einiges enger mit Syrien und dem Osten als dem Westen der islamischen Welt vernetzt ist - eine Situation, die sich mit den Umbrüchen im 13. Jahrhundert n. Chr. trotz des Engagements ägyptischer Akteure im Transsaharahandel eher noch vertieft.

Der Beitrag von Bruce Masters schließlich kündigt schon im Titel an, sich nur mit "Trade in the Ottoman lands" (665-78) zu befassen. Zu seiner Blütezeit kontrolliert das Osmanische Reich die Land- und Seerouten (Stichwort Suezkanal) des Handels zwischen Europa und Iran/Indien sowie über die Besitzungen in Nordafrika fast den gesamten Transsaharahandel. Wie Masters herausarbeitet, liegt seine große Schwäche jedoch darin, auf die Kontrolle des Handels mit Europa fixiert zu sein, während das Osmanische Reich selbst für Europa mit der zunehmenden Erschließung eigener Kolonien zur Peripherie wird. Allerdings darf man den Außenhandel auch nicht zu wichtig nehmen, denn angesichts der Ausdehnung des Osmanischen Reiches kommt dem Binnenhandel eine bedeutend höhere ökonomische und fiskalische Bedeutung zu. Dem Binnenhandel gilt daher die verstärkte Sorge der Politik, was sich an Investitionen in die Infrastruktur und staatlichen Eingriffen in das Preisgefüge niederschlägt. Bruce Masters liefert damit einen Nachtrag zum dritten Block "Muslim Anatolia and the Ottoman Empire", der ohnehin so etwas wie der heimliche Schwerpunkt dieses zweiten Bandes darstellt.

Die synoptische und themenorientierte Perspektive im fünften Block lässt die Schwächen der Konzeption des Bandes hervortreten, kann aber auch verzerrten Beurteilungen entgegen wirken, denen anheim zu fallen man immer Gefahr läuft, beschränkt man sich allzusehr auf einzelne Dynastien und Regionen. Wer sich beispielsweise mit der Geschichte der Nachfolgerreiche der Almohaden beschäftigt und sieht, wie intensiv etwa die Ḥafṣiden Handel mit Europa treiben und welchen Aufschwung als dialektisches Komplement des Handels die staatlich geförderte Piraterie nimmt, der mag zur Annahme neigen, dass wir es mit einer Hochphase des Handels und einer generellen Merkantilisierung der Politik zu tun haben.

Olivia Remie Constable belehrt einen da gleich zu Beginn ihres Beitrags "Muslim trade in the late medieval Mediterranean world" (633-47) eines Besseren. Wir erfahren, dass der Maghreb ab dem 12. Jahrhundert n. Chr. vom Handel mit dem islamischen Osten mehr und mehr abgeschnitten wird und auf den Handel mit Europa umschwenken muss, was wiederum vom Erstarken der europäischen Mittelmeermächte zeugt. Die Initiative liegt bei den Europäern, die Muslime agieren passiv und in eingeschränktem Radius.

Ein anderes Vorurteil, das sich allerdings weniger aus regionaler Beschränkung, sondern aus voreiligem Vergleich ergibt, ist die Auffassung, Konversionsbewegungen würden für die Zeit zwischen dem 11. und 18. Jahrhundert n. Chr. im Islam keine Rolle mehr spielen. Wie Mercedes García-Arenal in ihrem Beitrag "Conversion to Islam: from the 'age of conversions' to the millet system" (586-606) zeigt, wandelt das Phänomen nur seine Form. Weiter gefasst und in seinem Verhältnis zu kultureller Assimilation und Selbstbehauptung betrachtet, zeigen sich vielfältige Konversionsphänomene. Als Reaktion auf die Bedrohung durch die Kreuzzüge geraten die Christen in Ägypten und Syrien unter Druck; die Reconquista löst Konversionswellen in die andere Richtung aus; die Konversion zum Islam findet mit der Konversion der von islamischen Piraten erbeuteten Christen neue Formen. Während in Spanien die Mission der Muslime zum Christentum durch den fehlenden kulturellen Assimilationswillen behindert wird, bewahren die Balkanvölker trotz Islamisierung ihre Sprache und Teile ihrer kulturellen Prägung.

Soweit die Aufsätze von Band II. Ein Glossar (705-710), das dem Nichtislamkundler die wichtigsten Begriffe (amīr, waqf, sūq etc.) erklärt, eine umfassende Bibliographie (711-802), gegliedert nach den Themen der Aufsätze, und ein Namensindex (803-847) schließen den Band ab. Die Bibliographie besticht dadurch, dass sie nicht alle Titel unterschiedslos aneinanderreiht, sondern Standardwerke und Werke einführenden Charakters unter der Rubrik "Practical suggestions for further reading" voranstellt. Außerdem enthält der Band 13 Karten in schwarz-weiß und eine chronologische Übersicht der wichtigsten Ereignisse, nicht zu vergessen die in viele Aufsätze eingearbeiteten Herrschertabellen.

Nachdem an der Konzeption des Bandes kritisiert wurde, dass er viel aufnimmt, was nicht als islamischer Westen gilt, muss abschließend noch darauf hingewiesen werden, dass er umgekehrt auch einiges auslässt oder nur en passant streift, was mit Sicherheit zum islamischen Westen gehört. Zur Ausbreitung des Islams im Nilsudan und der Islamisierung Nubiens vernehmen wir bis auf gelegentliche Nebensätze bei der Behandlung des mamlūkischen Ägyptens nichts. Der Landstreifen an der afrikanischen Ostküste, wo sich bis weit in den Süden hinein die islamische Besiedlung entlang zieht, wird, wiewohl islamischer Westen par excellance, ebenso wie Somalia und das Horn von Afrika nicht behandelt. Dass dem Swahiliislam nicht mindestens ein Aufsatz gewidmet ist, während sich ca. 200 von ca. 700 Textseiten mit den Osmanen befassen, darf im Rahmen eines Bandes zum islamischen Westen durchaus als unausgewogen kritisiert werden.

Betrachten wir das Buch von außen, erscheint auf der Frontseite im Hintergrund des zentrierten englischen Titels in nur leicht matterem Grün als dem Umschlag gehalten und deshalb nicht sofort ins Auge fallend eine Kalligraphie: Taʾrīḫ al-islām. Taʾrīḫ al-islām, das ist einerseits schlicht die arabische Übersetzung von "History of Islam", andererseits aber auch der Titel klassisch-islamischer Geschichtswerke. Ein wenig scheint die Perspektive des Bandes sich dieser Perspektive angeglichen zu haben. Der Band konzentriert sich auf die Wissensbestände, die aus Sicht klassisch-islamischer Hochkultur relevant erscheinen und bisher die meiste Aufmerksamkeit erfahren haben: Andalusien, Maghreb, Ägypten, Syrien usw. Der subsaharische Islam und erst recht der ostafrikanische Islam gehören weniger dazu. So wurde die Chance, der wachsenden Bedeutung Afrikas für den Islam gerecht zu werden und eine Bilanz der Forschungen auch auf diesem Gebiet zu ziehen, vertan. Wer das nicht erwartet und auch derjenige, der es erwartet, wird aber aus den einzelnen Beiträgen, die für sich genommen ihre Themenbereiche solide abhandeln, seinen Nutzen ziehen.

Hans-Thomas Tillschneider