Jason C. Parker: Hearts, Minds, Voices. US Cold War Public Diplomacy and the Formation of the Third World, Oxford: Oxford University Press 2016, XII + 240 S., 23 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-025184-0, GBP 22,99
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Über staatliche Medienpolitik der USA im Kalten Krieg wissen wir seit geraumer Zeit ganz gut Bescheid. Autoren wie Nicholas Cull, Tom Borstelmann, Justin Hart oder Jessica Gienow-Hecht haben hier neben manchen Anderen Grundlegendes geleistet. Der an der Texas A & M University lehrende Jason Parker betont demgegenüber zurecht, dass der Kern der US-Propaganda sich auf das Kommunismus-gefährdete Europa richtete, und will deswegen die erste, spezifisch auf den Globalen Süden gerichtete Studie vorlegen. Das umfasst die Jahre 1945 bis 1963 mit Ausblicken auf die Johnson-Administration. Zugleich bedeutete das, dass sich die Terminologie des Buches erst in der Untersuchungszeit entfaltete: die US Information Agency (USIA) als Institution (mit vielen Wandlungen zuvor und danach) ab 1953, die "Dritte Welt", der "Globale Süden", "public diplomacy", auch das Ziel, sich um die "hearts and minds" (in Vietnam) zu kümmern, wurden erst in den 60er Jahren zu populären Begriffe. Die These des Untertitels ist es nicht, die US-Propaganda für die Entstehung der "Dritten Welt" verantwortlich zu machen oder deren Anteil näher zu bestimmen, ja noch nicht einmal deren Wirkung, sondern sie rekonstruiert eher die mediale Reaktion der USA auf die Dekolonisierung. Parker widmet sich allein der Public Diplomacy, von der er die weiterreichende Cultural Diplomacy abtrennt, was ihn um einige Erkenntnismöglichkeiten bringt.
Gerade weil der Globale Süden keine Handlungs- und Perzeptionsgröße der Zeitgenossen war, bietet Parker geglückt vertiefende Fallstudien, die jeweils auch allgemeinere Aspekte berühren. Er setzt ein mit dem relativ abrupten Ende der Kriegspropaganda "Absent at the Creation" (in Abwandlung von Dean Achesons Memoirentitel: Present at the Creation) und betrachtet in diesem Kontext die Lateinamerikapolitik, die an die vorangehende hoch problematische "good neighbor policy" anschloss, und die Indienpolitik. Erst mit Trumans Inaugural Speech 1948 änderte sich das organisatorisch, bekräftigt 1950 durch die die National Security Council Study NSC 68 und vor allem den Koreakrieg. Anders als herkömmlich postuliert, kümmerte sich Eisenhower in seinem programmatischen New Look durchaus um Außereuropa. Dass die weltweite kommunistische Bedrohung in der Perzeption alles andere überlagerte, erwies sich jedoch nicht immer als hilfreich gegenüber der Blockfreienbewegung, deren erste Konferenz 1955 in Bandung und dann 1961 in Belgrad stattfand. Dabei versuchte Washington, im eigenen Sinne, Teilnehmerländer der Konferenzen zu mobilisieren. Als, beginnend 1957 mit Ghana, immer mehr Staaten Afrikas unabhängig wurden, hoffte man zwar mit Kwame Nkrumah auch auf andere freundliche Führer des neuen Afrika, aber die US-Rassenpolitik im eigenen Lande ("Jim Crow"-Diskriminierung) war zunehmend hinderlich. Wie andere gezeigt haben, erwuchs aus dieser Einsicht auch ein innenpolitischer Impuls für entsprechende Reformen. Große Aufmerksamkeit erhält Nassers Ägypten, das mit westlicher (Rundfunk-)Technologie ausgestattet, eigene große Medienpropaganda auch gegen den Westen veranstaltete. Erst unter Kennedy und seiner Alliance for progress (AFP) wurde das anders und - zumal gegenüber Lateinamerika - auch ein wenig effektiver. AFP war "the confluence of key elements of Kennedy's Foreign Policy: a new focus on the non-European world with special attention to Latin America; modernization driven development as a cure to these areas' ills and as an anticommunist vaccine; and a revamped public diplomacy to transmit both" (136). Aber auch ein solcher integraler Ansatz scheiterte letztlich im Laufe der 1960er Jahre. Auch wenn der Name von Walt Rostow nur einmal (in anderem Zusammenhang) genannt wird: das große Konzept selbst wird nicht so recht klar.
Die Arbeit ist erfrischend schmal - 177 Seiten Text; sie beruht auf einer breitesten Auswertung US-amerikanischer Archivalien und hat ob ihres innovativen Wertes im maßgeblichen Internetportal H-Diplo hohes Lob erhalten. [1] Das ist zu unterstreichen, jedoch sind auch einige Desiderate bis Defizite zu verzeichnen.
Parker schreibt im Kern eine konventionelle Diplomatiegeschichte der entsprechenden USIA-Institutionen sowie ihrer Vorläufer, ihrer Programme, Umsetzung und Scheiterns. Holistische Ansätze des Antikommunismus wechselten sich mit dem Postulat zielgerichteter Schwerpunkte für einzelne Länder ab. Hier hätte man sich mehr Akzentuierungen und allgemeine Beobachtungen wünschen können. Der Wandel des eingesetzten Medienmixes wird ab und zu am Rande erwähnt, hätte aber systematisch entfaltet werden können, ebenso der Wandel der generellen Ziele. Welche Rolle spielte die Präsentation des eigenen Landes, seines Images, wie verhielt es sich um Antikommunismus, wie sehr versuchte man auf soziale Probleme von Zielländern gezielt einzugehen? Voice of America wird oft herangezogen, dazu die Quantitäten von Sendezeiten und Papierausstoß. Unter den 32 (ohne Seitenzählung) beigegebenen Abbildungen aus dem Archiv der USIA findet sich ein Raum mit hohen Papierstapeln an Broschüren: Diese Menge an kommunistischer Propaganda, die man in Buenos Aires einmal sichergestellt habe, "could at times and at particular sites dwarf die USIA's output on behalf of the AFP." Hier wird ein völlig leeres Propagandabild der USIA als analytische Aussage missverstanden. Das führt zu der Beobachtung, dass ein cultural turn nicht nur als Thema, sondern als methodisches Instrumentarium in dieser Studie keine Rolle spielt, wie sie zeitgleich etwa Sönke Kunkel für die 60er-Jahre (und damit partiell überschneidend) vorgelegt hat. [2]
Bei Parker ist die Public Diplomacy nicht durchgängig - wie das Zitat zu Kennedy scheinbar zeigt - als integraler Teil in die US-Außenpolitik insgesamt eingebettet. Das meint nicht die organisatorischen Gegebenheiten, sondern die inhaltliche Einbettung. Es herrscht die Perspektive der Institutionen, etwa in Sachen Antikommunismus, nicht immer der heutige Forschungsstand zu den Grenzen kommunistischer Infiltration und damit bisweilen grotesker Fehlperzeption. Von dem CIA-Putsch in Guatemala 1954 wissen wir seit langem. Hier kommt nur vor, die CIA habe kommunistische Kräfte im Lande gesehen und daher gehandelt. Ähnliches lässt sich für den ehemals belgischen Kongo 1960/61 sagen. Hier fehlt die CIA-belgische Kollusion bei der Ermordung von Patrice Lumumba, wenn nur von der zunehmend kommunistischen Anlehnung die Rede ist. Ähnliches ließe sich auch für die Suezkrise 1956 sagen. Überhaupt tritt die Kooperation der sich ausbildenden "Dritten Welt", ihre Ausrichtung und Organisation nicht als eigenständige Größe auf [3], sondern nur als die Frage nach mehr oder weniger Kommunismus. Die Dekolonisierung wird selbstverständlich als entscheidender Faktor angesehen, die Konkurrenz und Kooperation mit den europäischen Kolonialmächten jedoch leider nicht gesondert thematisiert. An verschiedenen Stellen wird am Rande betont, die USIA habe agiert, die CIA nicht. Da hätte ein tieferer Blick in die einschlägigen Studien über die CIA vielleicht ganz gut getan, um auch hieraus zu erkennen, wie sich weiße, graue und schwarze Propaganda mit aktiven Interventionen überschnitten oder diese gar konterkarierten. Parker konstatiert zunehmend eine Medienkonkurrenz der USA-Diplomatie, ja eine Kakophonie mit kommunistischen und vielen anderen regionalen Ansätzen vor Ort: Da hätte man gern ein wenig Nachdenken darüber gehabt, wie die US-"Voices" damit anders als in Tonnenideologie des Outputs von Papiermassen und Sendestunden umgingen.
Insgesamt: eine sektoral innovative und anregende Studie zur US-Außenpolitik, der jetzt aber nicht unbedingt Studien für jedes einzelne Land folgen müssen, sondern eher eine global- und kulturgeschichtliche Einbettung in breiterem Rahmen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. die H-Diplo Roundtable-Review mit vier Rezensenten, 6.11.2017: https://networks.h-net.org/system/files/contributed-files/roundtable-xix-10.pdf
[2] Sönke Kunkel: Empire of Pictures. Global Media and the 1960s Remaking of American Foreign Policy, New York / Oxford 2016.
[3] Wie selbstverständlich findet sich keine deutschsprachige Forschung, vgl. aber etwa: Jürgen Dinkel: Die Bewegung Bündnisfreier Staaten. Genese, Organisation und Politik (1927-1992), Berlin / München / Boston 2015.
Jost Dülffer